Samstag, 10. März 2018

Rezension: Elsemarie Maletzkes Das Leben der Brontës



Inhalt

Die drei bekanntesten Romane der Brontë-Schwestern Charlotte, Emily und Anne, „Jane Eyre“, „Sturmhöhe“ und „Agnes Grey“, gehören seit vielen Jahrzehnten zu den ganz großen Werken der Weltliteratur, die immer wieder verfilmt wurden und bis heute das Lesepublikum begeistern. Doch gerade ihr zurückgezogenes Leben als Pfarrerstöchter, die Entstehung ihrer Werke vor diesem Hintergrund und auch ihre frühen Tode, die weitere Werke dieser hochbegabten Schwestern verhinderten, weckten seit jeher das Interesse ihrer Leser. Elsemarie Maletzke erzählt in dieser Biographie die Geschichte ihres Lebens, detailliert und mitfühlend, aber auch immer mit der nötigen kritischen Distanz zu ihrem Gegenstand.

Meinung

Das Buch ist wie die meisten Biographien chronologisch aufgebaut. Nach einem kurzen Vorwort, das die Bedeutung der Werke der drei Schwestern bis heute betont und auf einige Quellen zu ihrem Leben hinweist, die erst mit der Zeit zugänglich waren, beginnt die Biographie ganz klassisch mit den Eltern der Geschwister und einer Schilderung der Lebensumstände zum Anfang und zur Mitte des 19. Jahrhunderts und ihrer Heimat Haworth, einem kleinen Ort in Yorkshire. Darauf erfahren wir chronologisch, was sich in der Kindheit, Jugend und schließlich im Erwachsenenleben der Geschwister zugetragen hat, wobei jedem Kapitel in Stichpunkten die wichtigsten Themen des Kapitels vorangestellt sind und die Kapitel nicht bestimmte Themen getrennt voneinander behandeln, sondern „der Reihe nach“. Wir erleben den frühen Tod der Mutter mit, ebenso den Tod der beiden ältesten Schwestern Maria und Elizabeth, das Entwickeln ihres Phantasiereiches durch die drei Schwestern und ihren Bruder Branwell, in dessen Rahmen alle vier bereits in Kindesjahren zu schreiben beginnen und ihre erdachte Welt immer weiter ausmalen, ihre Zeit an verschiedenen Schulen, das Arbeiten der Schwestern als Gouvernanten in verschiedenen Familien, den Aufenthalt von Charlotte und Emily in Brüssel im Pensionat von Madame Heger, um ihre Französischkenntnisse soweit zu verbessern, dass sie selbst eine Schule eröffnen können, ihre Rückkehr und das Scheitern ihres Schulprojekts, ihre allmählichen Versuche, Romane zu schreiben, während ihr Bruder langsam dem Alkohol verfällt, die Veröffentlichung einer Gedichtssammlung der Schwestern, die sich als Ladenhüter entpuppt, und schließlich die Veröffentlichung von „Jane Eyre“, „Sturmhöhe“ und „Agnes Grey“ unter Pseudonymen und der beginnende literarische Ruhm, den jedoch nur noch Charlotte miterleben kann, da innerhalb von wenigen Monaten Branwell, Emily und Anne vermutlich an Tuberkulose sterben, Charlottes einsame Jahre, die sie mit der Pflege ihres Vaters, dem nur noch ein Kind geblieben ist, und dem Verfassen weiterer Werke verbringt, außerdem ihrem allmählichen Kontakt zu anderen Literaturgrößen ihrer Zeit, die, nachdem ihre Identität bekannt wurde, auf sie aufmerksam wurden, und am Ende ihre Heirat mit Arthur Bell Nicholls, dem Hilfspfarrer ihres Vaters, und ihren plötzlichen Tod, dem noch ein zwar sehr kurzes, aber sehr interessantes Nachwort folgt, das sehr tiefgehende Überlegungen zu den begrenzten Möglichkeiten eines Biographen anstellt und aufzeigt, wie bereits Charlotte das Bild ihrer Schwestern prägte und einiges ausfilterte, was spätere Biographen immer weiter führten, so dass man nicht wirklich darstellen kann, wie die drei Schwestern „wirklich“ gewesen sind. Man präsentiert ein Bild von ihnen, der ganze Mensch kann generell nicht aufgezeigt werden. Darauf folgen noch ein Literatur- und ein Personenverzeichnis.
Man bekommt also so ziemlich alle Informationen, die man heute über die drei Schwestern erlangen kann. Mir gefiel vor allem der Anfang zunächst sehr gut, der sehr bildlich die damalige Zeit, etwa ihre Hygienebedingungen, dargestellt und das Haus der Brontës und seine Umgebung schildert, so dass man einen sehr guten Einblick davon bekommt, in welchem Umfeld die Schwestern lebten, wozu auch die vielen Fotos im Buch mit beitrugen. Der folgende Teil, der sehr stark auf die Phantasiewelt der Geschwister und ihre frühen Schriften abzielt, fällt demgegenüber ein wenig ab, da diese Thematik in meinen Augen auch zu ausführlich geschildert wurde. Sie ist zwar sehr wichtig und sollte durchaus einige Erwähnung finden, doch ein paar Kürzungen hätten ihr sicherlich gut getan. Die Darstellung ihres Erwachsenenlebens überzeugt dann umso mehr durch einen gut lesbaren, aber anspruchsvollen Schreibstil und die kritische Hinterfragung der verwendeten Quellen, insbesondere bei Briefen und anderen Schriften von Charlotte, die dadurch, dass so viel mehr Korrespondenz von ihr erhalten geblieben ist als von ihren Schwestern, entscheidend das Bild ihrer Schwestern mit prägte. Obwohl die Autorin immer bemüht ist, eine kritische Distanz zu ihrem Untersuchungsgegenstand zu wahren, rührt das Buch an vielerlei Stellen aber auch und wirkt nicht trocken distanziert, insbesondere als Branwell, Emily und Anne so kurz hintereinander sterben und auch als Charlotte so kurz nach ihrer Heirat und auch noch schwanger ebenso viel zu jung sterben muss.

Fazit

Eine insgesamt sehr überzeugende Biographie der drei Brontë-Schwestern, die innerhalb der durch die nicht immer gute Quellenlage begrenzten Erkenntnismöglichkeiten das Leben und Wirken von Charlotte, Emily und Anne spannend und detailliert darstellt, am meisten jedoch Aufschluss über Charlotte bietet, da zu ihrer Person bedeutend mehr Quellen zur Verfügung stehen.

4 von 5 Punkten


Buchinfos:
Taschenbuch, 508 Seiten
ISBN: 978-3-458-35101-6
Erschienen am: 17. November 2008
Preis: 15,00 €

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