Donnerstag, 29. März 2018

Rezension: Maja Lundes Die Geschichte des Wassers


Inhalt

Der zweite Teil der vierteiligen Klimareihe der norwegischen Autorin Maja Lunde spielt wie sein Vorgänger „Die Geschichte der Bienen“ in verschiedenen Zeiten. 2017 ist die fast 70-jährige Umweltaktivistin Signe fassungslos, als in ihrer Heimat in Norwegen Eis aus einem Gletscher geholt wird, um es in die weit entfernten Arabischen Emirate zu bringen. Sie will etwas dagegen unternehmen und den Mann konfrontieren, den sie dafür verantwortlich macht, also reist sie mit ihrem Segelboot nach Frankreich… 2041 sind große Teile Südeuropas aufgrund einer jahrelangen Dürre komplett vertrocknet und durch Waldbrände bedroht, das Trinkwasser ist extrem knapp. Viele Menschen fliehen Richtung Norden, auch David und seine Tochter Lou begeben sich auf der Suche nach Frau und Sohn in ein Flüchtlingslager. Sie finden schließlich Signes Segelboot und schöpfen wieder etwas Hoffnung…

Meinung

Der Roman wechselt immer zwischen den beiden Handlungssträngen, die stets aus der Sicht von Signe und David erzählt werden. Diesmal ist das verbindende Element nicht eine Familiengeschichte, sondern Signes Segelboot und ihre Fracht, die sie mit nach Frankreich nimmt. Davids Geschichte erlebt man dabei intensiver mit. Die Trostlosigkeit des Lagers, die Essensrationen, das immer knapper werdende Trinkwasser, die sich allmählich aufstauende Wut und Verzweiflung, die sich in Konflikten und Prügeleien entlädt, Diebstähle, die man aufgrund der Umstände in Kauf nimmt, Davids Versuch, seiner Tochter irgendeine Normalität und Beschäftigung zu geben, die sie davon ablenken, dass ihre Mutter und ihr Bruder nicht da sind, über deren Schicksal man erst viel später etwas erfährt, all dies wird sehr anschaulich und berührend herausgearbeitet, insbesondere Davids Überforderung damit, seiner Tochter ein guter Vater zu sein, während er auf ein Lebenszeichen seiner Frau und seines kleinen Sohnes wartet und versucht, allein klarzukommen. Es ist erschreckend zu beobachten, wie sehr eine solche Situation Menschen verändern kann, wie schnell man seine Werte und Überzeugungen verlieren kann, wenn es ums nackte Überleben geht. An diese Intensität kommt Signes Geschichte über weite Strecken nicht heran, vielleicht auch, weil dieses Zukunftsszenario sehr schockiert und in ihrer Handlung wichtige Aspekte oft nur angerissen und in Rückblenden kurz erwähnt werden. Ihr Konflikt mit ihrer Mutter und ihre Entscheidung gegen ein typisches Leben mit Mann, Kindern und Haus werden noch schlüssig herausgestellt, was sie dann jedoch über die Jahrzehnte als Umweltaktivistin macht, wird kaum dargestellt. Dieser Aspekt fehlt einfach generell, eine dritte Zeitebene wie in „Die Geschichte der Bienen“ wäre wünschenswert gewesen, die den mehr ursprünglichen Umgang mit Wasser oder den Kampf gegen Wasserknappheit verdeutlicht hätte. Ebenso störte das offene Ende ein wenig, wobei es zum Buch passte. Man bleibt etwas in der Luft hängen, kommt nun der rettende Regen oder stellt dieser nur noch ein Wunschdenken dar?
Weisen somit beide Handlungen kleinere Schwächen auf, setzt sich dies leider auch bei der Grundthematik, die Bedeutung von Wasser für unser Leben, fort. Das Buch macht überaus deutlich, wie wichtig Wasser für unser Überleben ist. Man bekommt Einblicke in die Urgewalt der Meere, seine Funktion als Lebensraum für all die Meeresbewohner, seine Verwendung zur Energiegewinnung, den Rückgang von Gletschern, den Anstieg des Meeresspiegels und seine enorm wichtige Funktion für uns Menschen als Trinkwasser, die so wie heute in Zukunft nicht mehr für alle Regionen der Welt gesichert sein wird, wenn wir den Klimawandel nicht eindämmen. Insbesondere Wasser als Trinkwasser und dessen Mangel werden sehr anschaulich geschildert, man bekommt ein Gefühl dafür, was es bedeuten muss, wirklichen Durst zu haben und diesen niemals komplett stillen zu können. Ansonsten kamen mir die Erläuterungen zu den anderen Funktionen von Wasser jedoch etwas zu kurz, vieles wurde nur kurz angerissen. Natürlich stellt das Buch in erster Linie einen Roman und kein Sachbuch dar, doch durch das Bewerben als große Klimareihe hatte ich schon mehr Hintergrundinformationen erwartet. Das große Problem von Plastik im Meer etwa wird in zwei Sätzen mal kurz erwähnt. Da man zusätzlich den Figuren ferner bleibt als noch im Vorgängerband, berührte die Handlung insgesamt auch weniger, so dass der zweite Teil nicht an „Die Geschichte der Bienen“ heranreicht. Fesselt tat er allerdings trotzdem, ich konnte stundenlang weiterlesen. Zugleich stellt er wieder einen überzeugenden Appell an uns alle dar, dass wir so wie heute nicht mehr weiter machen und die Ressourcen unseres Planeten nicht derart weiter verschwenden können. Die Zukunftsvision spielt diesmal bereits im Jahr 2041, nicht in 2098 wie noch im Vorgängerband, sie ist kaum noch 20 Jahre entfernt. Wir sollten eindringlich hoffen, dass diese Aussicht sich nicht bewahrheiten wird und dieser Kampf um knappe Ressourcen uns nicht bevorsteht. Noch können wir diese Gefahr vielleicht abwenden, sehr bald haben wir auch diese Möglichkeit verstreichen lassen.

Fazit

An das tolle „Die Geschichte der Bienen“ reicht dieser zweite Band nicht mehr heran, dafür weisen die Handlung und die Herausstellung der Wasserthematik doch ein paar kleinere Schwächen auf. Überaus gelungen ist aber erneut die Warnung, an unserem Umgang mit unserem Planeten entscheidend etwas zu verändern, bevor wir diese düstere Zukunft erleben müssen, die Maja Lunde in ihrer Zukunftsaussicht schildert. Allein deshalb ist dieser Roman absolut empfehlenswert, da er dazu beiträgt, über die Folgen des Klimawandels aufzuklären, und das auch noch in sehr unterhaltsamer Form.

4 von 5 Punkten


Buchinfos:
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 480 Seiten
ISBN: 978-3-442-75774-9
Erschienen am: 19. März 2018
Originaltitel: Blue
Preis: 20,00 €


Ein großes Dankeschön an den btb Verlag für das bereit gestellte Rezensionsexemplar!

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