Dienstag, 13. März 2018

Rezension: Robert Harris' Dictator



Inhalt

Mit „Dictator“ lässt Robert Harris seine dreiteilige Cicerobiografie enden. Sie setzt mit dem Tiefpunkt von Ciceros Karriere ein, seinem Exil 58 v. Chr. Seiner Besitztümer beraubt, von seiner Familie getrennt, begibt er sich mit seinem getreuen Sekretär Tiro nach Thessaloniki. Seine Karriere scheint zu Ende zu sein. Doch als er verspricht, seinen Gegner Caesar zu unterstützen, darf er nach Rom zurückkehren. Dort kann er allmählich sein öffentliches Ansehen und seinen politischen Einfluss wieder aufbauen und erlebt hautnah den Niedergang der Republik mit, als der römische Staat durch Caesar und Pompeius in einen Bürgerkrieg gerät…

Meinung

Auf dieses Buch habe ich wirklich bereits seit Jahren sehnsüchtig gewartet. Während die Behandlung des Mittelalters in Form von historischen Romanen geradezu boomt, gibt es leider viel zu wenige großartige Autoren, die sich der Antike widmen, weshalb ich auf Robert Harris’ Antikebücher immer ganz gespannt warte, insbesondere da die ersten beiden Werke zu Cicero wirklich sehr gut waren. Zu meiner Freude kann ich berichten, dass der dritte Teil ihnen in nichts nachsteht und sie eher noch übertrifft. Er wird wieder aus der Sicht von Ciceros Sklaven Tiro erzählt, der im Buch (wie auch im echten Leben) eine Biografie über seinen Herrn verfasst (das Original ist jedoch leider verloren gegangen, aber definitiv historisch belegt). Es setzt, wie oben erwähnt, im Jahre 58 v. Chr. ein, als Cicero sich ins Exil begeben muss, und endet mit seinem Tod im Jahre 43 v. Chr. Somit erlebt man hautnah aus der Sicht von Tiro und Cicero die dramatischste Phase der Römischen Republik mit, als die beiden mächtigsten Männer des Staates, Pompeius und Caesar, sich zunächst im sogenannten Triumvirat mit Crassus zusammentun und die Macht im Staat übernehmen, Caesar Gallien unterwirft und stetig an Macht gewinnt, insbesondere durch seine ihm treu ergebenen Legionen, Pompeius sich nach Crassus’ Tod sukzessive von Caesar entfernt, bis zwischen beiden ein Bürgerkrieg ausbricht, aus dem Caesar nach jahrelangen Kämpfen schließlich als Alleinherrscher hervorgeht, bis er an den Iden des März 44 v. Chr. im Senat ermordet wird, woraufhin sein Anhänger Marcus Antonius sich gegen die Republikaner im Senat stellt, wieder Kämpfe ausbrechen, in denen Caesars Haupterbe Octavian sich zunächst auf die Seite des Senats stellt, dann jedoch mit Antonius und Lepidus ein Triumvirat eingeht, das Proskriptionslisten veröffentlicht, auf denen auch Cicero und sein Bruder Quintus stehen, was zu ihrem Tod 43 v. Chr. führt. Im Zentrum des Buches stehen zwar die historischen Entwicklungen und Ciceros Rolle bei ihnen, seine Versuche, die Republik noch irgendwie zu retten, doch ebenso wird viel Wert auf die Schilderung der Abfassung seiner vielen Schriften gelegt, denen er sich, politisch meist zur Untätigkeit verdammt angesichts der Macht der großen Einzelnen, bis zu seinem Tode intensiv widmet.
Harris geht dabei historisch sehr authentisch vor, die historischen Zusammenhänge werden sehr treffend wiedergegeben, wenn auch natürlich die Gespräche erdacht worden sind, da es für sie selbstverständlich keine Aufzeichnungen geben kann. Überlieferte Briefe und Texte von Cicero werden aber nach Möglichkeit immer wieder zitiert und auch antike Quellen zu den geschichtlichen Ereignissen benutzt, was Harris’ sorgfältige Recherche demonstriert, die auch wichtige Sekundärliteratur mit einschloss, wie seine Danksagungen am Ende des Buches zeigen. So gelingt es ihm, das antike Rom und den politischen Alltag mit Senatsdebatten, Opfern, Volksversammlungen, aber auch zunehmender Gewalt und Straßenkämpfen vorm geistigen Auge des Lesers auferstehen zu lassen. Man versinkt mit der ersten Seite in der antiken Welt und bekommt viel stärker als bei Fachbüchern ein Gefühl dafür, was die großen Erschütterungen zum Ende der Republik für die Menschen damals bedeutet haben müssen, was wirkliche Menschen durchmachen mussten. Denn das wirklich Tolle an diesem Roman ist die Möglichkeit, die Wirren der Zeit aus der Sicht der Zeitzeugen zu erleben, die noch nicht wissen konnten, wie dies alles ausgehen wird. Cicero kämpft verzweifelt für die Republik, versucht noch mit Octavians Hilfe das Ende dieser abzuwenden, immer wieder gibt es Hoffnungsschimmer, dass die Republik doch noch nicht verloren ist, man sieht die Alternativen, die möglich gewesen wären. Denn das Ende der Republik war nicht unabwendbar, wären andere Entscheidungen zu bestimmten Zeitpunkten getroffen wurden, etwa von Octavian, hätte die Geschichte auch einen anderen Lauf nehmen können, was man oftmals vergisst, da man bereits den Ausgang kennt und mit diesem Wissen die Entwicklungen bewertet. Vor diesem Hintergrund wird die ihm oftmals vorgeworfene Wankelmütigkeit und Feigheit Ciceros verständlicher, sein häufiger Wechsel der Seiten, was angesichts der ständig wechselnden Machtverhältnisse eigentlich nicht überraschen sollte, er wird einfach menschlich mit Fehlern und Schwächen dargestellt, was ich als sehr realistisch empfand. Jedoch sollte man nie vergessen, es ist nur ein Bild des tatsächlichen Ciceros, das Harris zeichnet, wie der Mensch tatsächlich war, kann man nicht angemessen darstellen.
Was den Roman noch besser als seine beiden Vorgänger macht, ist einerseits die stärkere Rührung, die er hervorruft, vor allem durch die sehr intensive Schilderung des Exils Ciceros, der Schicksalsschläge in der Familie, die dieser erleiden muss, aber auch durch die sehr rührende Freilassung Tiros, die dieser sich seit Jahrzehnten erträumt hatte und die mich wirklich zu Tränen rührte. Andererseits ist dieser dritte Teil noch spannender und fesselnder, angesichts der dargestellten historischen Entwicklungen sicherlich kein Wunder, doch Harris gelingt es irgendwie, dass man, selbst wenn man wie ich sich sehr viel mit dieser Zeit auseinandergesetzt hat und um Ciceros Ende weiß, wie gebannt vor dem Buch sitzt und einfach weiter lesen muss. Harris gelingt durchaus ein mahnender Appell für unsere heutige Zeit, wie dies auf dem Bucheinband angedeutet wird, für unsere politische Freiheit zu kämpfen, doch sollte man auch immer vorsichtig mit solchen Vergleichen sein, die damaligen Verhältnisse kann man nicht eins zu eins auf unsere heutigen übertragen. Jede Zeit hat ihre eigene Mentalität, ein anderes Demokratieverständnis, was immer mit bedacht werden sollte.
Wer sich nicht so gut mit den Geschehnissen zum Ende der Römischen Republik auskennt, bekommt zum Ende des Buches noch einige hilfreiche Informationen zum besseren Verständnis. Die wichtigsten Personen werden kurz vorgestellt, antike Begriffe erläutert und eine Karte des Römischen Reiches mit seinen Provinzen und eine Karte Roms abgebildet.

Fazit

Ein wirklich gelungener Abschluss der dreiteiligen Cicerobiografie, der durch seine historisch sehr genaue, sehr gut recherchierte Wiedergabe der damaligen Ereignisse, seinen rührenden und mitreißenden Erzählstil und die ambivalente, realistische Zeichnung seiner Hauptfigur überzeugt und zudem den Leser in die antike Welt zurückversetzt. Schade, dass hiermit seine Beschäftigung mit Cicero endet, aber ich hoffe einfach auf weitere Werke zur Antike aus Harris’ Feder, ich kenne schlichtweg keine besseren Romane zu dieser Zeit.

4,5 von 5 Punkten


Buchinfos:
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 528 Seiten
ISBN: 978-3-453-26871-5
Erschienen am: 12. Oktober 2015
Preis: 22,99 €


Ein großes Dankeschön an den Heyne Verlag für das bereit gestellte Rezensionsexemplar!

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