Inhalt
In diesem, seinem populärsten Werk stellt Stefan Zweig vierzehn „Sternstunden der Menschheit“ als Miniatur vor, oftmals einschneidende historische Begebenheiten aus den Bereichen Politik, Kultur und technischer Fortschritt bzw. Entdeckungen, die die Weltgeschichte häufig für Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte entscheidend veränderten und prägten. Von der Antike über die Eroberung von Byzanz bis zur Nachkriegsregelung nach dem Ersten Weltkrieg spannt er seine anschaulichen, spannenden Darstellungen, die Geschichte erlebbar machen und eindrucksvoll aufzeigen, wie die Größe oder auch Schwäche eines einzelnen Menschen die Weltgeschichte in einer einzigen Sekunde für immer verändern kann.
Meinung
Die vierzehn Miniaturen sind nicht chronologisch angeordnet, das Buch beginnt mit der Entdeckung des Pazifischen Ozeans, schildert dann die Eroberung von Byzanz, die Krankheit Georg Friedrich Händels und die Schaffung seines schönsten Stücks, die Entstehung und den Siegeszug der Marseillaise, die Schlacht bei Waterloo, die Entstehung der Marienbader Elegie von Goethe, die Auswirkungen des Goldrauschs, die Begnadigung Dostojewskis in allerletzter Sekunde, das erste Wort über den Atlantik durch die Legung eines Unterwassertelegraphenkabels zwischen Europa und Nordamerika, Zweigs eigener Abschluss zu Tolstois unvollendeter Selbstbiographie, die seine Flucht rechtfertigen sollte, außerdem den Wettkampf um den Südpol aus der Sicht von Scott, Lenins Reise nach Russland im verschlossenen Zug durch Deutschland, Ciceros letzte Jahre mit dem Versuch, die römische Republik noch zu retten und zuletzt die Nachkriegsregelungen nach dem Ersten Weltkrieg aus der Sicht vom US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Nach den Miniaturen folgen noch einige Hinweise des Herausgebers, wie sich die Ausgabe der Miniaturen nach ihrer Erstausgabe aus dem Jahr 1927, die nur fünf Texte umfasste, entwickelte, was wann ergänzt wurde, bis sie in ihrer vierzehn Miniaturen umfassenden Form vorlag.
Zweig bietet somit interessante Einblicke in wichtige Ereignisse der Menschheit, wobei nicht nur politisch bedeutsame Geschehnisse behandelt werden, die Texte über Händel, die Marseillaise, Goethe, Tolstoi und auch über Dostojewski decken den Bereich Kultur ab und auch der Bereich technischer Fortschritt bzw. Entdeckungen ist mit der Entdeckung des Pazifik, der Legung des atlantischen Telegraphenkabels und der Kampf um den Südpol vertreten. Allen ist aber gemeinsam, dass sie spannend und mitreißend aufzeigen, wie der Verlauf der Weltgeschichte vonstatten ging, wie immer wieder einzelne Menschen durch eine bewusste Entscheidung, ein zu langes Zögern, einen schicksalsträchtigen Moment Geschichte machten und für immer die Welt, die man zuvor kannte, unwiederbringlich veränderten. Dabei wird das Wechselspiel zwischen Individuum und seiner Umwelt, die schließlich auch erst dazu beitrug, das alles verändernde Individuum hervorzubringen, nicht vergessen, so dass man wieder einmal sehr gute Einblicke in den Bereich der Geschichte bekommt, der vor allem interessierte Laien, die sich bloß in der Schule mit Geschichte beschäftigten, einen neuen, aufschlussreichen Blickwinkel auf die Dynamiken, die die Weltgeschichte prägten und voranbrachten, bietet.
Allerdings fiel mir auch das erste Mal, nachdem ich schon einige seiner biographischen Texte mit Vergnügen gelesen hatte, die ab und zu zu pathetische Sprache auf, die zwar auch seine Biographien prägt, aber dort nicht so sehr störte. Man kommt zwar so auch den Personen und ihrem Schicksal viel näher, fiebert stärker mit und gewinnt einen besseren Eindruck davon, wie sehr die geschilderten Geschehnisse das Leben der Personen umkrempelte und welcher Einschnitt damit meistens einherging. Doch gleichzeitig erhielten einige Berichte dafür für meinen Geschmack zu viel Dramatik. Auch wirkte es oft so, dass einige Begebenheiten zu dramatischen Zwecken geschickt zusammengeschrieben wurden, obwohl man bei einigen keine direkten Verbindungen finden kann oder sie zeitlich viel weiter auseinander lagen. Vor allem beim Beitrag zum Südpol, mit dem ich mich schon früher eingehend beschäftigt hatte, fielen mir einige Ungereimtheiten auf, nicht alles scheint authentisch geschildert worden zu sein, wobei man auch bedenken muss, dass Zweig natürlich viel näher als heute an den Geschehnissen dran war und sicherlich nicht über alle Quellen verfügen konnte, die wir mittlerweile nutzen können. Die letzten beiden Abschnitte über Cicero und Wilson gefielen mir dann wieder deutlich besser, wie eben generell einige Beiträge von besserer Qualität (z.B. der Abschnitt über das Telegraphenkabel oder der Text über Tolstoi) als andere waren. Beide standen unter der immer bei Zweig wiederkehrenden Thematik des Friedens und zeigen als Mahnmal für die gegenwärtige Generation (1927) eindrucksvoll, wie beide durch ihre Versäumnisse und Kompromissbereitschaft den Weg frei für eine Diktatur gemacht haben, wo Zweig beinahe prophetische Fähigkeiten beweist, wenn man bedenkt, was ein paar Jahre später geschehen sollte.
Fazit
Auch dieses Werk von Stefan Zweig konnte mich insgesamt überzeugen, wenn mir auch die einzelnen Biographien besser gefallen haben und ich die vielen Lobeshymnen zu diesem Buch nicht komplett nachvollziehen kann. Die einzelnen Beiträge zeigen spannend und informativ einschneidende Geschehnisse der Menschheit im Bereich Politik, Kultur, Entdeckungen und technischer Fortschritt, wobei diese ausgewogene Mischung, die erfrischenderweise nicht nur den Bereich Politik abdeckt, der große Pluspunkt dieser Miniaturensammlung ist.
3,5 von 5 Punkten
Buchinfos:
Hardcover, 400 Seiten
ISBN: 978-3-596-51236-2
Erschienen am: 15. Mai 2012
Preis: 12,00 €
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