Donnerstag, 1. März 2018

Rezension: Stephen Chboskys Das also ist mein Leben


Inhalt

Charlie ist 15 Jahre alt und kommt zu Beginn des Buches gerade auf die Highschool. Neben typischen Teenagerproblemen wie neue Freundschaften schließen und sich in der neuen Schule zurechtfinden ist er noch dabei, den Unfalltod seiner Tante Helen und den Selbstmord seines Freundes Michael zu verarbeiten. Durch seine nachdenkliche, in sich gekehrte Art wirkt er auf seine Mitschüler sonderlich und tut sich schwer, neue Freunde zu finden. Dann lernt er jedoch die etwas älteren Stiefgeschwister Sam und Patrick kennen, die ihn in ihre Clique einführen, durch die er Partys, Alkohol und Drogen, aber auch die erste Liebe und neue Freundschaften kennen lernt. Doch alles, was Charlie sich neu aufbaut, wird durch verdrängte Kindheitstraumata gefährdet, die an die Oberfläche drängen…

Meinung

Der Roman ist in Briefform verfasst. Charlie richtet sich damit an einen dem Leser unbekannten „Freund“, dem er erzählt, was er alles erlebt, worüber er nachdenkt, was ihn beschäftigt. Dies gibt dem Buch einerseits einen originellen Touch, andererseits ist es sehr angenehm lesbar. Charlie (Chbosky) hat eine klare Schreibweise, die sich im Laufe des Buches genauso wie Charlie selbst weiter entwickelt, man fühlt sich wirklich in das Denken eines Jugendlichen zurückversetzt. Zusätzlich kann die Handlung an sich enorm fesseln, so dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.
Außerdem lebt es eindeutig von seiner Hauptperson. Charlie wird dem Leser direkt sympathisch, er schildert sein Leben sehr einfühlsam, so dass man sich sofort in ihn hineinversetzen kann. Er ist ein in vielen Punkten untypischer, intelligenter Teenager, der sich stark für Literatur (gefördert durch seinen Englischlehrer) und Musik interessiert, aber auch enorm viel nachdenkt, noch seinen Platz im Leben sucht (sicher normal in seinem Alter) und die Menschen um ihn herum eingehend beobachtet und sich immer wieder fragt, warum diese sich immer wieder mit weniger zufrieden geben, als sie erreichen könnten. Man fühlt sich in seine eigene Jugend zurückversetzt, Gedanken an die eigene erste Liebe, das sich Zurechtfinden zwischen den „coolen“ und den „uncoolen“ Cliquen in der Schule kommen hoch, die Charlie derart warmherzig schildert, dass er einem direkt ans Herz wächst. Man gewinnt ihn sofort lieb, ich fand ihn schlicht liebenswürdig und schnuffig, insbesondere da er sehr ehrlich mit seinen Erlebnissen und Gedanken umgeht. Zum Beispiel gibt er stets zu, wenn er weinen muss, schämt sich dessen nicht, geht ehrlich auch mit Schwächen um. Er wirkt irgendwie wie ein Freund, den man als Teenager gern gehabt hätte, der bloß da ist, wenn man ihn braucht, der sich sorgt und der sich Gedanken um andere Menschen macht.
Was mir an dem Roman ebenso gut gefallen hat, waren die vielen Hinweise auf Literatur und Musik, die vorkamen. Charlie erhält von seinem Englischlehrer, der sein Potential erkennt, außerhalb des Unterrichts immer wieder Bücher, über die er Aufsätze verfasst. Viele davon habe ich mir direkt herausgeschrieben und werde ich auch bald lesen. Mit Musik beschäftigt sich Charlie fast genauso viel, auch beeinflusst von Sam und Patrick, die auch wiederum meinen Geschmack traf, so dass man durch das Buch noch viele Tipps erhält, was man selbst vielleicht noch lesen und/oder hören könnte.
Generell ist dieses Jugendbuch eben auch etwas für Erwachsene. Man liest viel darüber, wie man sein Leben leben, wie man selbst aktiv werden sollte, es nicht nur passieren lassen soll, indem man nicht bloß nur am Rand steht und alles beobachtet, sondern selbst an den Geschehnissen teilnimmt. Man hat hier ein sehr intelligentes und ehrliches Buch vorliegen, dessen Lektüre sich durchaus ebenso für Erwachsene lohnt. Trotz der oftmals schweren Thematik kommen eben auch viele Momente des jugendlichen Leichtsinns vor, die man so nicht mehr im Erwachsenenalter erlebt, einen aber an seine eigene Teenagerzeit zurückdenken lässt. Man erhält eine gute Mischung aus Schwermut und Hoffnung, die sich auch in der Figur des Charlie widerspiegelt: „Das also ist mein Leben. Und ich will, dass Du weißt, ich bin glücklich und traurig zugleich und versuche noch immer herauszufinden, wie das eigentlich sein kann.“ (Seite 9) Diese Probleme von Jugendlichen beim Heranwachsen, beim Finden ihres Platzes in der Welt wird von Chbosky sehr authentisch und tiefgehend herausgearbeitet, wie ich es schon lange nicht mehr derart realistisch gelesen habe.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich allerdings noch anzumerken. Das Buch kommt leider nicht völlig um Klischees herum. Ungewollte Schwangerschaften, untreue Partner, Väter, die ihre schwulen Söhne verprügeln, all das ist nicht gerade originell. Auch die Drogenerlebnisse kamen mir ein wenig unrealistisch vor, ebenso die Tatsache, dass sich hier 18jährige mit Highschoolneulingen anfreunden und Englischlehrer so viel Interesse an ihren Schülern entwickeln, dass sie ihnen Buchtipps geben und sie zu sich einladen.

Fazit

Ein einfühlsam geschriebener Coming of Age-Roman, der sich überzeugend mit den Problemen von Jugendlichen an einer neuen Schule, beim sich selbst Finden und ersten Erfahrungen mit Alkohol, Drogen und der ersten Liebe beschäftigt. Er lebt von seiner warmherzigen Hauptfigur Charlie, der sich zusätzlich mit Kindheitstraumata auseinandersetzen muss, die dem Buch eine gelungene Mischung aus Traurigkeit und Hoffnung geben. Das rührendste Buch, was ich seit langem gelesen habe!

4,5 von 5 Punkten


Buchinfos:
Taschenbuch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-453-26751-0
Erschienen am: 26. September 2011
Originaltitel: The Perks of Being a Wallflower
Preis: 12,99 €

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