Anfang April hatte ich euch bereits über die Lesungen von Jürgen Neffe zu seiner neuen Marx-Biografie „Marx. Der Unvollendete“ informiert. Vor ein paar Tagen kam er schließlich auch in die Thalia-Buchhandlung in Bielefeld, was ich mir natürlich nicht entgehen lassen konnte. Gemeinsam mit einer Freundin begab ich mich gegen 20:30 Uhr zur Buchhandlung, die bereits ganz gut gefüllt war, wenn wir auch den Altersdurchschnitt deutlich senkten. Pünktlich begann die Lesung um 20:30 Uhr, zunächst eingeleitet durch eine Mitarbeiterin der Filiale, die dann das Wort an Andreas Liebold von Radio Bielefeld gab, der die Veranstaltung moderierte und Herrn Neffe auf die Bühne bat.
Dieser begrüßte das Publikum freundlich und sorgte direkt mit kleinen lustigen Seitenhieben und Anekdoten zu Ostwestfalen für erste Lacher. Bevor das Werk zur Sprache kam, stellte Herr Liebold Herrn Neffe zunächst vor, der lange Zeit als Autor u.a. für die ZEIT, SPIEGEL und GEO gearbeitet hat, kurz das Hauptstadtbüro der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin leitete, um dann vor seiner Marx-Biografie eine Biografie über Albert Einstein und eine über Charles Darwin vorzulegen. Schließlich kamen beide auf Neffes neues Werk zu sprechen, das er den Untertitel „Der Unvollendete“ gab, da etwa zwei Drittel von Marx‘ Schriften erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Nach seiner Motivation zu seinem Werk gefragt, betonte Neffe, wie sehr es ihn umtrieb, wieso wir heute noch über Karl Marx sprechen. Sein Werk sei eigentlich „ausgeforscht“ durch die Sowjetunion und die DDR, was es heute noch Neues über ihn zu erfahren gebe, dies seien vor allem Informationen, die andere Personen über ihn geben konnten.
Nach dieser kurzen Einleitung begann Neffe, den Prolog vorzulesen, der sich vor allem um Marx‘ Grab in Highgate dreht. Es war sehr angenehm ihm zuzuhören, mit fester, sicherer Stimme las er einfühlsam aus seinem Buch, wie man ihm auch generell anmerkte, dass er darin geübt ist, vor Menschen aufzutreten. Danach berichtete Neffe von seiner Recherchearbeit, die 2008 mit dem Sammeln von Literatur und der Lektüre von Biografien über Marx begann, bis er für lange Zeit Marx selber las. Insbesondere das „Kommunistische Manifest“ hält er dabei für Marx‘ gelungenste Schrift. Herr Liebold richtete weitere Fragen an den Autor, etwa, wie dieser beim Schreiben mit den unangenehmen Seiten von Marx umgegangen sei und zur aktuellen Sicht auf Marx‘ Kapitalismuskritik, den dieser als Selbstläufer ansah, von Menschen geschaffen, aber nicht mehr unter ihre Kontrolle zu kriegen, wie etwa die derzeitige Digitalisierung, wobei mir bei den Ausführungen des Autors vor allem der Klimawandel in den Sinn kam.
Danach widmeten sich Liebold und Neffe stärker der Beziehung von Marx zu seiner Ehefrau Jenny. Neffe las einen im Buch abgedruckten Liebesbrief von Marx an seine Frau vor und berichtete ein wenig von ihrer Geschichte, dem gemeinsamen Aufwachsen in Trier, die räumliche Trennung während Marx‘ Studium, die hohe Bildung von Jenny, die Marx nicht nur als Tippse zur Seite stand, sondern auch Anmerkungen zu seinen Werken gab. Auf Wunsch aus dem Publikum las Neffe noch einen Abschnitt aus einem Kapitel über London, wo Karl Marx sehr lange im Exil lebte, das seinen Besuch in einem der Häuser, die Marx früher bewohnte, schildert und das durch den genervten Eigentümer des Hauses zahlreiche Lacher hervorrief.
Zum Abschluss fragte Herr Liebold noch nach Herr Neffes weiteren Buchplänen, wobei dieser sich ein wenig bedeckt hielt. Vielleicht mache er sich zur Abwechslung mal an die Biografie einer Frau oder eventuell werde sein nächstes Buch auch gar keine Biografie. Zunächst stehen erst einmal weitere Lesungen und die Frankfurter Buchmesse an, auf der Neffe für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis nominiert ist. Nach dem Gespräch konnten sich die Zuschauer noch ihre Bücher von Jürgen Neffe signieren lassen. Damit ging ein wirklich informativer und lustiger Abend mit einem sehr sympathischen Autor zu Ende, dessen Begeisterung für den Gegenstand seines Buches man durchweg spüren konnte und der damit großes Interesse an seinem Buch weckte. Leider wurden keine Fragen aus dem Publikum zugelassen, nach dem Gespräch zwischen beiden begann direkt die Signierstunde, was ich ein wenig schade fand. Ansonsten kann ich aber jedem nur empfehlen, mal zu einer Lesung des Autors zu gehen, es macht immer Spaß, Autoren, die so in ihrem Werk aufgehen, zu beobachten.
Eure Kim
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