Freitag, 4. Mai 2018

Rezension: Angie Thomas' The Hate U Give


Inhalt

Die 16-jährige Starr lebt zwar mit ihrer Familie in einem verarmten Viertel, doch sie geht auf eine Privatschule außerhalb ihres Viertels, an der sie beinahe die einzige schwarze Schülerin ist. Obwohl sie dort Anschluss gefunden und einen Freund hat, fühlt sie sich nicht richtig dazugehörig, auch in ihrem Viertel passt sie nicht mehr richtig dazu. Dann wird nach einer Party ihr bester Freund aus Kindertagen, Khalil, vor ihren Augen von einem Polizisten erschossen, ohne dass er etwas getan hat oder bewaffnet war. Die Empörung ist riesig, es wird landesweit über den Vorfall berichtet, viele sehen Khalil als Gangmitglied und Dealer, der Großteil des Viertels geht jedoch für ihn auf die Straße. Alle fragen sich, was an diesem Abend wirklich geschehen ist, doch nur Starr kann diese Frage beantworten, womit sie jedoch sich selbst in Gefahr begibt...

Meinung

Ich bin auf diesen Roman durch all den Hype, der um ihn betrieben wird - offensichtlich soll er bereits in diesem Jahr verfilmt werden -, aufmerksam geworden und las sehr viele überaus positive Bewertungen, so dass ich ausnahmsweise mal zu einem Jugendbuch griff, die ich mittlerweile normalerweise kaum lese. Diese Entscheidung hat sich durchaus gelohnt, wenn auch das Buch die übermäßigen Lobpreisungen nicht ganz verdient hat. Es weist dafür vor allem in der Handlung doch einige kleinere Schwachstellen auf, die beim Lesen ein wenig störten. Zum einen gab es einige Stellen, an denen sehr wenig passierte und scheinbar nur ein paar Teenager zusammen saßen und sich unterhielten, ohne dass dadurch die Handlung in irgendeiner Form weitergeführt wurde. Zum anderen ging insbesondere Starrs Beziehung zu ihren Eltern, die ihr immer den Rücken frei hielten, schon beinahe ins Kitschige. Natürlich wurden Konflikte in der Familie (vor allem auch mit der Mutter von Starrs Halbbruder) dargestellt, doch die weitverbreitete Harmonie in der Familie wirkte nicht immer realistisch. Vieles war mir zu klischeehaft, wie ihr Vater, der, nachdem er im Gefängnis saß, plötzlich eine 180 Grad-Wende vollzog und für seine Kinder sein Leben komplett umkrempelte. Dies mag natürlich vorkommen, doch im Laufe des Buches lief dies doch alles ein wenig zu glatt. Ebenso Starrs Beziehung zu ihrem Freund und auch alle anderen Konflikte, die gegen Ende des Romans beinahe schon in einer Art Happy End gipfelten. Da hätte ich mir mehr Realismus und Tiefe der Beziehungen der Hauptfiguren untereinander gewünscht.
Deren Herausstellung ist nämlich eigentlich einer der zwei großen Pluspunkte des Buches. Zumindest, wenn es um die zwei verschiedenen Starrs, einmal in ihrer gewohnten Umgebung und einmal in ihrem schulischen Umfeld, geht und ihre Beziehungen zu ihren beiden besten Schulfreundinnen und ihrem Freund, die auch unter Khalils Tod und seinen Auswirkungen auf Starrs Leben leiden. Dabei kommen große Differenzen insbesondere zu einer Freundin zutage, die wirklich beeindruckend versteckten Rassismus und dessen verschiedene Formen herausstellen, die echt überzeugend herausgearbeitet werden und zeigen, wie tief Rassismus in uns, auch wenn wir Freunde mit anderem kulturellen Hintergrund haben, verankert ist. Außerdem gefiel mir Thomas' Herausarbeitung der Konflikte zwischen Weißen und Schwarzen in den USA, insbesondere die Polizeigewalt gegen Schwarzen, die im seltensten Fall angezeigt wird. Khalils Fall ist leider nicht nur eine ausgedachte Geschichte, die so in der Realität nicht vorkommt. Man kann sich durch die Lektüre besser in diesen Konflikt hereindenken und wird mit vielen Fragen zu Schuld, wer ist Täter oder Opfer konfrontiert, die sehr nachdenklich stimmen. Durch den Jugendslang, in dem das Buch geschrieben ist, fühlt man sich sehr nah mit den Figuren verbunden, die abgesehen von den oben erwähnten Kritikpunkten sehr lebensnah wirken. Starrs Angst, Ohnmacht, Wut und auch ihre Suche nach einem Platz zwischen ihren beiden Welten fühlt man sehr intensiv mit. Dazu tragen auch zahlreiche Bezüge zu Rappersongs, allen voran Tupac Shakur, bei, die mich als Leser viel darüber nachdenken ließen, warum Menschen gegen ihren Willen "auf die schiefe Bahn geraten", was mit denen passiert, die allein aufgrund ihrer Herkunft so gut wie keine Perspektive im Leben haben und wie diese schließlich in Drogen und Kriminalität abrutschen können. Es schwingt im Buch sehr viel Gesellschaftskritik mit, die es trotz der Schwächen in der Handlung extrem lesenswert machen.

Fazit

Auch wenn der Roman nicht derart herausragend ist, wie ich vielerorts gelesen habe, kann ich ihn bedenkenlos weiterempfehlen. Die Handlung haute mich nicht immer vom Hocker, da hätte man an einigen Aspekten noch ein wenig feilen können, die grundlegende Thematik des Buches ist aber sehr gut herausgearbeitet worden und bewegt und schockiert zugleich. Damit verbunden ist aber auch ein eindringlicher Appell an uns alle, diese Ungerechtigkeiten nicht länger hinzunehmen und Menschen nicht aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft zu bewerten. Dies mag ein wünschenswerter Traum bleiben, doch vielleicht kann doch jeder bei sich selber anfangen.

4 von 5 Punkten


Buchinfos:
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 512 Seiten
ISBN: 978-3-570-16482-2
Erschienen am: 24. Juli 2017 
Originaltitel: The Hate U Give
Preis: 17,99 €

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