Sonntag, 17. Juni 2018

Rezension: Ilona Jergers Und Marx stand still in Darwins Garten


Inhalt

England im Jahre 1881: zwei heute noch bedeutende Männer leben nur einige Meilen entfernt voneinander: Karl Marx in London und Charles Darwin in Kent. Beide veränderten mit ihren Forschungen für immer die Welt, doch sie fühlen sich melancholisch und kraftlos. Darwin fühlt sich als Abschaffer des Schöpfers missverstanden, Marx kommt mit dem Schreiben der weiteren Bände des Kapitals nicht weiter und wartet ungeduldig auf die Revolution. Bei einem Dinner in Darwins Haus lernen sich die beiden kennen, diskutieren über Gott und Gerechtigkeit, bis der Abend im Streit endet. Doch sie haben mehr gemeinsam, als sie glauben wollen, wie Ilona Jerger in ihrer einfühlsamen Darstellung zweier Männer, die am Ende ihres Lebens stehen, eindrucksvoll aufzeigt.

Meinung

Wie ich bereits mehrmals erwähnt habe, schießen die Neuerscheinungen zu Karl Marx‘ Leben seit Monaten anlässlich seines 200. Geburtstags in diesem Jahr aus dem Boden. Meist sind dies Sachbücher, von denen ich euch ja einige vorgestellt habe, doch diese literarische Annäherung an Marx und Darwin, die bereits im letzten Jahr erschienen ist, musste zur Abwechslung auch einmal sein, und die Lektüre hat sich überaus gelohnt! Direkt vorneweg: das oben erwähnte Treffen zwischen Marx und Darwin hat es nie gegeben, die Autorin vermischt Fiktives mit Fakten, die aber überaus fleißig und detailliert recherchiert wurden. Das verbindende Element zwischen beiden Männern ist ihr gemeinsamer Arzt Dr. Beckett, der uns Einblick in das Leben der beiden alternden Männer gibt. Darwin fürchtet, als „Gottesmörder“ durch seine Evolutionstheorie in die Geschichte einzugehen, hat lange Diskussionen mit seiner Frau Emma darüber und widmet sich Forschungen am Regenwurm. Marx sitzt nicht weit entfernt am zweiten Band des Kapitals, mit dem er nicht vorankommt. Beide plagen Krankheiten, die auch ausführlich behandelt werden. Das fiktive Treffen bildet eher den Schlusspunkt.
Man vergisst jedoch sehr schnell, dass sich die Handlungen des Buches so nicht zugetragen haben. Der Roman hat so eine melancholische, aber auch humorvolle und oft ironische Stimmung, dass man einfach nur in der Geschichte versinkt und das Gefühl bekommt, Darwin und Marx wirklich kennen zu lernen. Es hilft eindeutig, wenn man ein wenig Hintergrundwissen zum Leben und Wirken der beiden mitbringt, ansonsten wird man Schwierigkeiten haben, dem Buch angemessen zu folgen. Es lädt zudem zum Nachdenken über die Vergänglichkeit des Lebens und der eigenen Errungenschaften ein und damit auch zur weiteren Beschäftigung mit Darwin und Marx, die einem trotz ihrer Macken sehr ans Herz wachsen und die man am Ende des Buches nur ungern gehen lässt.
Zusätzlich zum tollen Inhalt des Buches kann sich auch der Anhang wirklich sehen lassen. Karl Marx und Charles Darwin werden in einem kurzen Lebenslauf vorgestellt und in einem Nachwort erzählt die Autorin einerseits, wie sie zur Behandlung der beiden Personen gekommen ist, und andererseits, was wahr und was fiktiv an ihrem Buch ist. Danach ist noch eine Karte von London und seiner Umgebung abgebildet, die die Wohnorte von Marx und Darwin zeigt, und ein Inhaltsverzeichnis. Ich hätte mir ja noch weiterführende Literatur gewünscht, doch vielleicht hätte dies auch einfach zu einem Roman nicht gepasst.

Fazit

Ilona Jerger behandelt in ihrem Buch zwei interessante Persönlichkeiten, die am Ende ihres Lebens stehen und über ihr Vermächtnis für die Nachwelt nachdenken. Dies wird mit so viel Wärme, Witz, aber auch Wehmut geschildert, dass man wirklich in der Geschichte versinkt und nicht mehr darüber nachdenkt, ob sich alles so überhaupt zugetragen hat. Mal eine andere Sicht auf Marx und Darwin, die ich mit großer Freude gelesen habe und demnach bedenkenlos weiterempfehlen kann!

4 von 5 Punkten


Buchinfos:
Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten
ISBN: 9783550081897
Erschienen am: 11. August 2017
Preis: 20,00 €

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