Mittwoch, 25. Juli 2018

Rezension: Stefanie Stahls Das Kind in dir muss Heimat finden



Inhalt

Jeder Mensch wird entscheidend in seiner Kindheit durch das Verhältnis zu seinen Eltern, aber auch durch andere wichtige Bezugspersonen geprägt. Jeder wünscht sich, angenommen und geliebt zu werden. Daraus entwickelt sich das nötige Selbst- und Urvertrauen, das wir auch im Erwachsenenleben dringend benötigen. Allerdings setzen sich auch negative Erlebnisse in unserem Kopf fest und prägen unbewusst unsere Beziehungen auch als Erwachsene. Wie man mit seinem verletzten „inneren Kind“ (oder auch „Schattenkind“) umgehen kann, prägende negative Erlebnisse aus seiner Kindheit verarbeitet und daraus resultierende alte Verhaltensmuster ablegen kann, zeigt die Psychologin Stefanie Stahl eindrucksvoll in ihrem Buch.

Meinung

Ich möchte hier gar nicht weiter auf meine kindheitlichen Prägungen eingehen, was schließlich auch eine sehr private Sache ist. Meine Kindheit war sicherlich so wie die der meisten, es gab positive und negative Aspekte, wobei insbesondere die negativen Erlebnisse sich einprägten und z.T. eben auch noch im Erwachsenenleben eine Rolle spielen. Für wen dies ebenso zutrifft, für den ist in erster Linie Stefanie Stahls Buch gedacht. Ihr Ansatz beschäftigt sich mit dem „inneren Kind“, das die gesamten Kindheitsprägungen durch Eltern oder andere Bezugspersonen umfasst und das sie gewissermaßen unterteilt in „Schattenkind“ und „Sonnenkind“. Das Schattenkind auf der einen Seite beinhaltet all unsere negativen Überzeugungen, die wir uns zu uns oder auch zu zwischenmenschlichen Beziehungen durch unsere Prägungen angeeignet haben und die auch noch unser erwachsenes Denken beeinflussen. Das Sonnenkind auf der anderen Seite stellt unsere positiven Prägungen dar. Diese Zusammenhänge erläutert die Autorin im ersten Teil ihres Buches, ebenso wie die vier Grundbedürfnisse von Kindern wie etwa das Bedürfnis nach Bindung und wie sehr unsere Kindheitserfahrungen auch noch unser Verhalten als Erwachsene beeinflussen. Dann wendet sie sich sehr ausführlich dem Schattenkind zu, wobei man als Leser aufgefordert ist, sein eigenes anhand einiger Erklärungen und Übungen selbst zu finden. Hilfe bietet dabei auch die Innenseite des Buchdeckels, die ein Beispiel für ein Schattenkind abbildet. Wenn man dieses in sich entdeckt hat, erfährt man in der Folge viel über Schutzstrategien, die wir entwickeln, um die negativen Gedanken oder auch Gefühle des Schattenkindes nicht zu spüren wie etwa Realitätsverdrängung oder Perfektionsstreben. Außerdem gibt die Autorin viele Anleitungen und Übungen vor, mit denen man sein Schattenkind heilen kann, um dann zur Entdeckung des Sonnenkindes überzugehen, wobei diesmal die Innenseite des Buchrückens mit einem Beispiel für ein Sonnenkind anschaulich dabei hilft. Man bekommt außerdem viele Erläuterungen und Übungen mit auf den Weg, wie man seine Wahrnehmung und seine Gefühle eher regulieren kann, um sich von nun an stärker im Zustand seines Sonnenkindes aufzuhalten. Außerdem folgen am Ende noch einige Literaturtipps für die weitere Beschäftigung mit der Thematik.
Ich war zunächst etwas skeptisch, ob das Buch wirklich hilfreich sein würde, kann jetzt aber sagen, dass es mich wirklich positiv überrascht hat. Es ist einerseits sehr verständlich geschrieben, auf jeden Fall für Laien und für den Einstieg in die Thematik geeignet, alle psychologischen Aspekte werden sehr anschaulich und leicht verständlich erläutert. Andererseits bietet es auch für jemanden wie mich, der sich bereits mit der Thematik, wenn auch mit einem etwas anderen Fokus, beschäftigt hat, viele neue Informationen. Außerdem spickt die Autorin den Text immer wieder mit interessanten Einblicken in ihre Therapietätigkeit und berichtet von Erlebnissen mit ihren Patienten, was viele theoretische Erläuterungen noch wesentlich verständlicher machen.
Was mir auch sehr gut gefallen hat, ist der sehr abgewogene Schreibstil. Stefanie Stahl redet nicht von Schuld der Eltern etwa, wenn das Kind negative Prägungen mitgenommen hat, auch diese hatten schließlich Prägungen durch ihre Eltern usw. Außerdem betont sie, dass es die perfekte Erziehung oder die perfekten Eltern sowieso nicht geben kann, sie hebt nur hervor, dass diese die Verantwortung haben, für ihre Kinder da zu sein und für diese zu sorgen. Die Kinder können nicht die Probleme der Eltern lösen, sie müssen sich als Schutzbefohlene auf ihre Eltern verlassen können, aber eben auch als Erwachsene schließlich selbst Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen. Wie hilfreich das Buch auf Dauer ist, kann ich bis jetzt nicht abschätzen, man beginnt damit einen längeren Prozess, an dem man immer weiter arbeiten muss. Entscheidend sind Selbstreflexion und der Wille zur Mitarbeit und Veränderung, verfügt man über diese nicht, kann auch dieses Buch nicht weiterhelfen.

Fazit

Ich erlebte dieses Werk von Stefanie Stahl als sehr hilfreichen Überblick zum „inneren Kind“, das anhand von zahlreichen Beispielen und Übungen die Thematik sehr anschaulich und praxisnah darstellt. Es gibt wichtige Anstöße, sich stärker mit den Prägungen aus seiner Kindheit zu beschäftigen und an diesen zu arbeiten, wenn sie sich auch noch negativ auf das Erwachsenenleben auswirken. Deshalb kann ich es jedem Interessierten wirklich nur wärmstens ans Herz legen!

4,5 von 5 Punkten


Buchinfos:
Paperback, 288 Seiten
ISBN: 978-3-424-63107-4
Erschienen am: 16. November 2015
Preis: 14,99 €

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