Sonntag, 11. März 2018

Rezension: Daniel James Browns Das Wunder von Berlin


Inhalt

Daniel James Browns neuestes Werk handelt von der wahren Geschichte um neun Jungs aus der US-amerikanischen Provinz, die bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 im Achter durch ihren Sieg über die favorisierten Deutschen Ruderolympiasieger wurden und dadurch den Nationalsozialisten ihre geplante Propagandashow verdarben. Erzählt aus der Sicht eines der Jungen, Joe Rantz, der bereits früh seine Mutter verlor und lange Zeit von seinem Vater vernachlässigt wurde und so ohne wirkliche Perspektive durchs Leben ging, bis er sich an der Universität einem Ruderteam anschloss, schildert Brown das harte Training der neun Jungs, die erst das Vertrauen in ihre Kollegen und sich selbst finden mussten, bis sie um ihr großes Ziel, den Olympiasieg, mitkämpfen konnten…

Meinung

Man merkt Daniel James Brown sofort auf den ersten Seiten an, wie wichtig ihm die Thematik seines Buches ist. Er schildert in einem kurzen Vorwort seine Besuche bei Joe Rantz, der Brown kurz vor seinem Tod aus seinem Leben und von seiner Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936 erzählte. Allein aus diesen ersten paar Seiten spricht bereits solch eine Wärme, dass man als Leser Joe direkt in sein Herz schließt und berührt seiner Geschichte folgt. Dessen Leben bis hin zu seiner Studiumsaufnahme und der damit verbundenen Aufnahme ins Ruderteam der Universität von Washington in Seattle 1933 wird im ersten Teil des Buches geschildert, um dann im zweiten, dritten und vierten Teil jeweils das Training, die Wettkämpfe, Meisterschaften und auch Joes Privatleben in den Jahren 1934, 1935 und 1936 zu erläutern. Unterbrochen wird die Handlung dabei immer wieder von Darstellungen der Entwicklungen in Deutschland, sei es die Verschärfung der Unterdrückung der Juden und anderer unerwünschter Gruppen und die Vorbereitung der Olympischen Spiele, die zwar recht knapp gehalten sind, jedoch die wichtigsten Aspekte hervorheben und die Stimmung im Deutschland der 1930er Jahre angemessen beschreiben. Nachdem im letzten Teil die Ausscheidungsrennen gegen andere Universitäten bis hin zur Olympiaqualifikation von Joes Mannschaft und ihre Teilnahme und ihr letztendlicher Sieg im Achterrennen vor Italien und Deutschland dargestellt wurden, berichtet Brown in einem Epilog noch vom weiteren Lebensverlauf der neun Jungs, vor allem aber von Joe, der schließlich 2007 als vorletzter seiner Mannschaft starb.
Man erfährt somit allerhand über den anstrengenden Sport Rudern, wie die Boote dafür gebaut wurden, worauf bei der Technik geachtet werden musste, welche Ernährung für die Jungs am besten war und wie viel dieser Sport (wie vermutlich die meisten anderen Sportarten auch) vom Mentalen abhängt. All dies wird selbst für einen Laien wie mich sehr verständlich erläutert, insbesondere die Erklärungen zum Bootsbau fand ich sehr aufschlussreich. Die Universität von Washington hatte aber auch zur damaligen Zeit vermutlich den besten Ruderbootbauer auf der Welt in ihren Diensten, der auch die Mannschaften der anderen Universitäten mit seinen Bauwerken ausstattete und der zusätzlich sehr viel vom Rudern verstand, so dass er immer wieder mit kurzen Zitaten vor den Kapiteln zur Sprache kommt. Außerdem erhält man einen spannenden Einblick in die Kämpfe bis hin zur Olympiaqualifikation, die zwischen Ruderteams von verschiedenen Universitäten an der West- und Ostküste ausgetragen wurde, wie amateurhaft im Vergleich zu heute noch die ganze Verbandsarbeit war, so dass etwa das Ruderteam seine Reise nach Berlin selbst finanzieren musste. All dies ist eingebettet in eine extrem gelungene Herausstellung des Amerikas der 1930er Jahre, das entscheidend durch den Börsencrash von 1929 geprägt ist und in dem ganze Bevölkerungsschichten tagtäglich hart für die Ernährung ihrer Familien kämpfen müssen. Man fühlt sich beim Lesen zurückversetzt in diese Zeit, die Brown sehr bildhaft wiederauferstehen lässt.
Somit kann ich kaum etwas an diesem Werk kritisieren. Mich störte ab und zu die etwas zu pathetische Sprache, die die neun Jungs ständig hervorheben und aus ihnen wahre Helden machen wollte. Dies gefiel mir weniger, man kann deren herausragende Leistungen auch ohne großes Tamtam angemessen würdigen. Dafür müssen sie nicht ständig in Superlativen beschrieben werden. Ansonsten ist Brown aber eine wirklich rührende und fesselnde Darstellung der Geschichte von neun Jungs gelungen, die auszogen, um den wichtigsten sportlichen Titel, der zu vergeben ist, zu erlangen. Vor allem seine Hauptfigur, Joe Rantz, macht dieses Buch so lesenswert, da er dem Leser sofort ans Herz wächst und seine lebensfrohe Art, trotz all der harten Prüfungen, die er in jungen Jahren bewältigen musste, einfach ansteckt.

Fazit

Jedem Sport- und Geschichtsinteressierten kann ich dieses Buch über die wahre Geschichte des US-amerikanischen Ruderachters, der bei den Olympischen Spielen in Berlin die Deutschen schlug, nur wärmstens empfehlen. Neben einem spannenden Einblick in die faszinierende Sportart Rudern ist es außerdem zugleich eine Geschichte des Amerikas der 1930er Jahre, in das man von der ersten bis zur letzten Seite versinkt. Brown ist somit ein wirklich würdiges literarisches Monument für Joe und seine Mannschaft gelungen!

4,5 von 5 Punkten


Buchinfos:
Taschenbuch, 496 Seiten
ISBN: 978-3-442-15926-0 
Erschienen am: 17. Juli 2017
Originaltitel: The Boys in the Boat
Preis: 14,00 €

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